Untergeordnete vortretende Bauteile

Definition nach Musterbauordnung (MBO)

Die MBO spricht im Zusammenhang mit Vorbauten von „Bauteilen“ und unterscheidet sie von anderen „vor die Außenwand vortretende Bauteile wie Gesimse und Dachüberstände“. Diese sind (ebenso wie Vordächer, Werbeschilder, Schaukästen, überstehende Fensterbänke, Blumenfenster, Abfallrohre, Wandpfeiler, Antrittsstufen, Hauseingangstreppen oder Radabweiser, alle mit einer relativ geringen Tiefe) keine Vorbauten.
Vorbauten erfordern nach MBO keine eigenen Abstandsflächen, wenn sie

  • insgesamt nicht mehr als ein Drittel der Breite der jeweiligen Außenwand in Anspruch nehmen,
  • nicht mehr als 1,50 m vor diese Außenwand vortreten und
  • mindestens 2 m von der gegenüberliegenden Nachbargrenze entfernt bleiben.

Diese Vorbauten benötigen nach §30 (10) MBO keine Gebäudeabschlusswände (Brandwände) „wenn sie von dem Nachbargebäude oder der Nachbargrenze einen Abstand einhalten, der ihrer eigenen Ausladung entspricht, mindestens jedoch 1 m beträgt.“

Verordnung über die bauliche Nutzung der Grundstücke (BauNVO)

Nach BauNVO kann bei Baulinien und Baugrenzen „ein Vor- oder Zurücktreten von Gebäudeteilen in geringfügigem Ausmaß … zugelassen werden“ (§23 BauNVO).

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Erker an einem Haus in Freiburg im Breisgau Foto: Andreas Praefcke
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Balkone in Dessau FOTO: Galinowski/ Immowelt.de

Ist ein Balkon ein Vorbau?

Nach § 30 (10) Musterbauordnung (MBO) dürfen “Vorbauten im Sinne des § 6 Abs. 6, wenn sie von dem Nachbargebäude oder der Nachbargrenze einen Abstand einhalten, der ihrer eigenen Ausladung entspricht, mindestens jedoch 1 m beträgt” an der Nachbargrenze ohne Gebäudeabschlusswand (Brandwand) errichtet werden.

Was gilt für Balkone?

1. Sind Balkone “Vorbauten im Sinne des § 6 Abs. 6” der MBO?

§ 6 (6) (6) beschäftigt sich mit Gebäudeteilen (Bauteile genannt), die “bei der Bemessung der Abstandsflächen … außer Betracht” bleiben.

Diese sind:
“1. vor die Außenwand vortretende Bauteile wie Gesimse und Dachüberstände,”
“2. Vorbauten, … “

Im “Kommentar zur Bauordnung Berlin” (6. Auflage 2008) von Wilke, Dageförde u. a. zählt Cornelia Broy-Bülow auf Seite 135 unter Randnummer 75 “Erker, Balkone und Wintergärten” beispielhaft als “Vorbauten” auf, die bis zu einer Ausladung von 1,50 m “abstandsflächenrechtlich privilegiert” sind. Darüber hinaus benötigen sie jedoch eine “Gebäudeabschlusswand” (äußere Brandwand) nach §30 (2) Ziff. 1 MBO.

3. Benötigen Balkone Abstandsflächen nach §6 (5) MBO?

Entsprechend §6 (5) muss die Abstandfläche (Abstand von der Nachbargrenze) einer Wand das 0,4fache ihrer Höhe, mindestens aber 3 m betragen. Die Entscheidung, ob ein Balkon mit einer Tiefe > 1,50 m eine eigene Abstandsfläche (analog zu einem Erker) benötigt, fällt – zumindest in Berlin – der Vermessungsingenieur bei der Erstellung des amtlichen Lageplans.

Ist der Balkon in seinen Augen ein nichtprivilegierter Vorbau im Sinne des §6 (6) MBO ist abstandsflächenrechtlich ein Abstand von ≥ 3 m erforderlich, der wesentlich größer ist, als der nach §30 (10) MBO brandschutztechnisch erforderliche Abstand von ≥ 1 m.

4. Schlussfolgerung

Ein Balkon, der abstandsflächenrechtlich durch den – z. B. in Berlin – öffentlich bestellten Vermessungsingenieur an der Grundstücksgrenze ohne Abstand zugelassen wird, ist nach den Gesichtspunkten des Brandschutzes, insbesondere des § 30 (2) brandschutztechnisch zulässig, wenn er von dem Nachbargebäude oder der Nachbargrenze einen Abstand einhält, der seiner eigenen Ausladung entspricht, mindestens jedoch ≥ 1 m ist.

Veröffentlicht am 9. Oktober 2019.