Die Architektin zum Bau des Pilotprojektes “ Walden 48″

Susanne, Du arbeitest, soweit ich weiß, bereits seit etwa 20 Jahren an dem Thema: Bauen mit Holz. Welches waren für Dich die Schlüsselmomente in dieser Zeit?

Susanne: Ein Schlüsselerlebnis für mich war der Bau einer Mensa in der Steinstraße in Berlin. Ein riesiger Laster stand in der engen ‚Steinstraße‘ – ausgerechnet in der Stein-Straße – und da war das ganze Haus drauf. In kurzer Zeit waren alle Teile montiert und im Nu entwickelte sich ein großes Raumvolumen. Mich faszinierte die archaische Einfachheit dieses Prozesses ebenso wie die Klarheit der Konstruktion und die warme Oberfläche.

Du kommst aus Unterfranken, einer holzreichen Gegend. Hat sich das auf Dein Engagement für Holzbau ausgewirkt?

Susanne: Genauer gesagt aus Mainfranken, da ist eher Wein das dominierende Element. Als Kind war ich viel im Wald und die Natur hat mich natürlich geprägt. Die Häuser dort bestehen aber eher aus Sandstein, aber die Konstruktion ist ebenso monolithisch und sichtbar wie moderne Holzkonstruktionen. Die Schönheit der Konstruktion, die sichtbar bleibt, die Ehrlichkeit, Schlichtheit, Einfachheit, das hat mich immer schon angezogen.

Susanne und Farid Scharabi_Foto Anne Schönhartig
Susanne und Farid Scharabi_Foto Anne Schönhartig

Susanne und Farid, ihr beide habt bereits Projekte mit Holz geplant und gebaut, bevor es ein großes Thema in der Öffentlichkeit war. Was fasziniert Euch an diesem Material?

Susanne: Ich verstand diesen vermeintlichen Gegensatz zwischen dem natürlichen Baustoff Holz und der Stadt nicht. Warum sollte man in der Stadt nicht mir Holz bauen? Damals kamen die ersten Holzbauprodukte auf den Markt, die das Bauen mit Holz in der Stadt erleichterten, vorgefertigte Bauteile, industrielle Bauweisen und moderne Technologien ermöglichten, aber auch noch Energie und CO2 einsparen. Holz lag einfach nahe um eine Reihe von Problemen der heutigen Zeit zu lösen.

Farid: Es ist auch diese emotionale Verbundenheit mit dem Material, die jeder instinktiv in sich spürt, wenn er das erste Mal damit zu tun hat. Ohne diesen psychologischen Moment, wäre es nicht zu diesem Trend hin zum Holz gekommen.

Genau! Was denkt Ihr, woher kommt eigentlich der Trend zum Bauen mit Holz?

Susanne: Es gibt eine Reihe von Gründen mit Holz zu bauen: CO2-Einsparung, schnelles Bauen durch Vorfertigung, Verlagerung der Arbeit von der Baustelle in die Industriehalle, aber auch die Einsparung von Arbeitskräften durch effektivere Technologien. Holz hat sich in den letzten Jahren bewährt und es hat sich gezeigt, dass es keine Nachteile gegenüber konventionellen Massivbauten gibt. Auch Schallschutz und Brandschutz haben wir inzwischen im Griff.

Farid: Holzbau liegt auch im Trend, weil man sich damit von konventionellen Bauweisen abgrenzen und Individualität beweisen kann.

„Walden 48“, der derzeit größte Holzbau Berlins, begeistert die Architektur- und Holzbauszene. Was habt Ihr aus dem Planungsprozess für dieses Projekt gelernt und mitgenommen?

Susanne: Zusammen etwas entwickeln, das mehr ist als die Summe der Leistungen der Einzelnen. Es wurde früh zusammengearbeitet, jeder brachte Ideen ein, die detaillierte Umsetzung wird gemeinsam im Team entwickelt. Es war für alle eine extreme Bereicherung der Arbeit, dass jeder seine Ideen einbringen konnte.

Farid: Das liegt einfach im Zeitgeist. Die Welt ist komplexer geworden und als Architekten mit Herz und Seele müssen wir in alle Richtungen kucken um diese Komplexität beherrschen zu können. Der Architekt steht nicht mehr nur an der Spitze des Bauprozesses, sondern er muss ihn orchestrieren, er muss dafür sorgen, dass seine Vision von allen Beteiligten gleichermaßen umgesetzt werden.

Wie hat der Holzbau Eure Arbeit als Architekten verändert?

Susanne: Eigentlich haben wir von Anfang an mit Holz gearbeitet. Das erste Projekt war ein Badezimmer aus Holz für den Einbau in eine Wohnung; mit beschichteten Holzplatten über der Badewanne. Holzbau gehört zu unserer Arbeit von Anfang an. Wir haben gelernt, Zwänge auch als Chancen zu begreifen. Es hat durchaus einen Reiz, sich immer wieder mit Widrigkeiten auseinanderzusetzen.

Farid: Es ist die Harmonisierung der Widersprüche, diese Art der Sinnstiftung, die Gruppendynamik, die im Planungsprozess entsteht, die man später dem fertigen Projekt auch ansieht und die man spürt.

Aufzugschacht Walden 48_brandschutz plus eberl-pacan brandschutzplaner_Foto_Eberl-Pacan Architekten + Ingenieure Brandschutz
Aufzugsschacht in Holz Foto: Eberl-Pacan Architekten + Ingenieure Brandschutz

Wie schafft Ihr es, Bauherrn, Investoren, Projektsteuerer oder Banken vom Holzbau zu überzeugen? Oder ist das heutzutage schon eine Selbstläufer?

Susanne: Das beste Argument ist die Wertigkeit der Gebäude und die Nachhaltigkeit dieser Bauweise. Holzbau war zu Beginn sehr attraktiv für Baugruppen und Baugenossenschaften, für Bauherren, bei denen ein Bewusstsein für Ökologie und Nachhaltigkeit vorhanden ist. Inzwischen werben auch Investoren und Projektentwickler mit der Holzbauweise als besonderes Marketingmerkmal.

Welche aktuellen Holzbauprojekte bearbeitet Dein Büro gerade neben „Walden 48“?

Farid: Ein wichtiges Projekt ist die Schöneberger Linse mit 16 Wohnungen am Bahnhof Südkreuz. Dort haben wir uns in einem Konzeptverfahren mit einer weiterentwickelten Holzbauweise beworben und den Zuschlag bekommen. Gerade fertiggestellt wurde B-Part am Gleisdreieck in Berlin. Es ist Teil eines Experimentierlabor für das ideale Stadtquartier, ist natürlich aus Holz gebaut und kann komplett ab- und an anderer Stelle wieder neu aufgebaut werden.

Was erwartet Ihr für den Holzbau in diesem und in kommenden Jahren? Gibt es Trends, die den Markt bestimmen werden?

Susanne: Der Planungs- und Bauprozess wird weiter optimiert und Baufirmen früher eingebunden werden. Der industrielle Holzbau hat dafür sehr viel Potenzial. Der ökologische Aspekt muss jedoch noch weiter verfolgt werden; es müssen noch mehr nachhaltige Produkte im Ausbau und in der Ausstattung der Häuser verwendet werden.

Farid: Man kann hier einen Vergleich mit der E-Mobilität ziehen. Das sind keine Gags mehr, das sind Zukunftstechnologien die immer mehr Akzeptanz gewinnen. Die Kinder, die freitags demonstrieren und die Schule schwänzen, machen es uns vor. Wir müssen CO2 einsparen und das Klima schützen. Holz ist ein klasse CO2 Speicher, doch die Infrastruktur muss besser werden, wir brauchen z.B. mehr Firmen, auch in Berlin und Brandenburg, um die Transportwege zu verkürzen …

Susanne: Holzbau hat eine große Strahlkraft, er kann konkrete Probleme der Menschheit bewältigen und unsere Hoffnungen auf eine bessere Umwelt und ein weiter erträgliches Klima einlösen.

Veröffentlicht am 18. Juni 2020.