Der Fortschritt ist eine Schnecke
Bauministerkonferenz beschließt mehr Klimaschutz
Manchmal ist der Fortschritt einfach nur eine Schnecke. Wie oft müssen wir das erleben?
Die eingespannten Pferde scharren längst schon mit den Hufen, die Spatzen pfeifen laut und lange die hehren Ziele von den Dächern, die Reisepläne liegen klar und deutlich auf der Hand, aber es geht nicht wirklich los. Dort, wo gehandelt werden müsste, wird noch heftig gestikuliert, es klemmt die Bremse, die Ohren sind taub und die Kutscher wie von Blindheit geschlagen.
Wir geben nicht auf
Dann ruckelt’s. Alle atmen auf, doch die Karre knarzt und läuft nicht rund. Nach ein paar Metern ist schon wieder Schluss.
So wird der Fortschritt zu einer Schnecke und die Reise ermüdend und lang. Aber wir geben nicht auf. Immer wieder probieren wir’s mit einem Tropfen Öl, mit einem forschen Schub, wenigstens mit einem guten Rat. Es muss vorangehen. Wir wollen zum Ziele, denn dort warten schon wieder so viele neue Aufgaben und Ziele auf uns.
Warum ich das alles erzähle?
Vor gut einem Dutzend Jahren machte ich mich auf, dem Holzbau den Weg freizuschaufeln. Ich wollte den Dschungel des Baurechts zu lichten und die Mauern in den Bauordnungen schleifen.
Das Vehikel heißt Brandschutz. Ein manchmal schweres zähes Gefährt, dass oft bockend über eine klebrige Fahrbahn schleifte.
Da es um Holzbau geht, könnte man es auch mit dem Soziologen Max Weber als „ein starkes, langsames Bohren von harten Brettern mit Leidenschaft und Augenmaß“ bezeichnen.
Viel hatte ich nicht in der Tasche. Ein wenig Graubrot vielleicht, zur Not eine Tüte mit Mehl und einen Beutel mit Wasser. Das waren eine schüttere Theorie, ein wackeliges Wissen und ganz viel Gottvertrauen. Schließlich war ich ja mal Ministrant.
Der Weg war mal schräg und mal steil, die Pferde mal schlau und mal faul und die Räder waren sicher nicht immer so rund wie gewünscht. Auf der Pritsche hinten haben wir geweint, gelacht und gehofft. Doch vorne auf dem Bock wurde nur gezetert, geschimpft, gezerrt und gezurrt.
Schon 2004 hat die damalige Bundesregierung eine „Charta für Holz“ formuliert – unter Berücksichtigung einer nachhaltigen Forstwirtschaft. Im Frühjahr 2015 sprach sich der Bundesrat für den konsequenten Einsatz von Holz und der Holzbauweise aus, um die Klimaschutzziele 2020 (Verminderung der CO2-Emissionen) zu erreichen.
“Was machen denn die Kutscher dort?”, fragten wir uns oft. Blickten wir nach vorne, sahen wir noch lange kein Ziel. Doch wenn ich heute zurückschaue, muss ich zugeben, dass wir schon ganz schön weit gekommen sind.
Die Stationen waren Baden-Württemberg, Berlin, Hamburg, Hessen, Nordrhein-Westfalen und zuletzt noch Bremen. Und nun das: Die Bauministerinnen und Bauminister der Länder höchstselbst haben Ende September 2019 beschlossen, kostengünstigeren und klimafreundlicheren Bauens möglich zu machen. Sie wollen nicht weniger, als einen Durchbruch schaffen. und u.a. die Ergebnisse des Wohngipfels von 2018 umsetzen.
“Nur wer den Stillstand im Fortschritt kennt und achtet, wer schon einmal, wer mehrmals aufgegeben hat, wer auf dem leeren Schneckenhaus gesessen und die Schattenseite der Utopie bewohnt hat, kann Fortschritt ermessen.” (Günter Grass: Aus dem Tagebuch einer Schnecke. Hamburg, 1974)
Bundesweit soll das Bauen mit Holz in höheren Gebäuden einfacher und die Musterbauordnung entsprechend angepasst werden. Wird dieser Beschluss Realität, darf künftig auch nach MBO Holz als Baustoff für hochfeuerhemmende oder feuerbeständige Bauteile eingesetzt werden.
Unklar bleibt weiterhin, welche Länder diese Vorgabe wann und wie in ihren Landesbauordnungen (LBO) umsetzen werden.
Anpassungen in der MBO
Viereinhalb Jahre nach der erfolgten Liberalisierung des Holzbaus in der LBO Baden-Württemberg und fast ein halbes Jahr nachdem mit Bremen das sechste Bundesland aus der breiten Phalanx der „Holzbaubehinderer“ ausgebrochen ist, besinnt sich die BMK auf die Herausforderung, kostengünstiges Bauen sowie die erforderlichen Sicherheit der Nutzer unter einen Hut zu bringen. Dabei soll nun zusätzlich die Umwelt und das Klima so weit wie möglich geschont werden.
So gerät das „Bauen mit Holz“ als Königsweg in den Fokus aller Bundesländer. Es reift nun bundesweit die Erkenntnis, dass Holz bei nachhaltiger Waldbewirtschaftung ein besonders umweltschonender und klimaverträglicher Baustoff ist, mit dem vielfältige Bauaufgaben gut und kostengünstig gelöst werden können.
Natürlich müssen den ambitionierten Beschlüssen der zwar hochrangig besetzten, aber trotzdem nahezu machtlosen Konferenz Taten in den Ländern folgen. Dort sind die beschlossenen Anpassungen der MBO tatsächlich in der jeweiligen LBO umzusetzen.
Allzu oft erweisen sich jedoch die Vorgaben der MBO als „Muster ohne Wert“ und einheitliche Regelungen scheitern an landesspezifischen Vorlieben und Widerständen.
Fazit: Vereinheitlichung der LBO
Der Vorstoß der BMK für kostenoptimiertes umweltschonendes Bauen ohne Kompromisse bei Sicherheit und Brandschutz darf nicht ins Leere laufen. Der Anpassung aller LBO in punkto Nachhaltigkeit und Energieeinsparung muss folgen; ebenso die seit langem von vielen Akteuren im Baugeschehen – u.a. von der Bundesvereinigung Fachplaner und Sachverständige im vorbeugenden Brandschutz – geforderte grundsätzliche Vereinheitlichung der LBO.
Ein einfaches, handhabbares und verständliches Bauordnungsrecht war ein weiteres Ziel des o.g. Wohngipfels. Es ist an der Zeit für ein solches zu sorgen; damit der Fortschritt beim Bauen keine Schnecke bleibt.
Veröffentlicht am 14. Oktober 2019.