Fragen an den Brandschutz
… oder die fünf Erfolgsfaktoren von Facebook & Co (nicht nur) für Architekten
Lange Zeit hatte ich nicht mehr viel gehört und gesehen von Peter, der sich vor 25 Jahren mit mir – Rücken an Rücken – durch die Diplomarbeit gekämpft hatte. Plötzlich, bei einer Feier zu Ehren eines – zufällig – gemeinsamen Freundes stand jemand vor mir, der mich – auf den zweiten Blick − verdächtig stark an Peter erinnerte …
Wo sollte ich diese Figur, dieses Gesicht, hinpacken? Meine Gedanken waren etwas konsterniert, bis mir endlich der rettende Einfall kam: Das ist ja tatsächlich Peter, mein alter Kumpel mit dem ich 1987 ein halbes Jahr in einem engen Zimmer saß, wo wir beide an unseren genialen Diplomarbeiten werkelten. Ein denkwürdiges Jahr! Berlin feierte 750 Jahre und vor dem Fenster unserer schmalen Diplomkammer an der Straße des 17. Juni fuhren alle damals bedeutenden Staatsoberhäupter vorbei. Von soetwas wie Social Media oder den „fünf Erfolgsfaktoren von Facebook & Co (nicht nur) für Architekten“ waren wir damals noch weit entfernt.
Die guten analogen Zeiten
Schnell drehte sich unser Gespräch um die vergangenen Zeiten. Was waren wir damals jung. Mit welch wenigen technischen Mitteln bewältigen wir unsere Aufgaben. Das Institut für Krankenhausbau hatte gerade einen Kopierer angeschafft, der vergrößern und verkleinern konnte. Er war meine Rettung. Für mein Museum für Industrie Naturwissenschaft und Technik (M I N T) konnte ich so Schiffe, Flugzeuge, space shuttles usw an den Maßstab meiner Pläne anpassen und per Tuschezeichengerät, besser bekannt als Rapi, durchziehen.
Wir hatten kein Internet und keine social media. Täglich kamen zwar Freunde Bekannte und Fans bei uns auf einen Sprung vorbei, zwängten sich zwischen unsere Tische und erkundigten sich über unsere Fortschritte, gaben die eine oder andere Ermunterung, ein Lob oder eine Empfehlung. Doch der Rest der Welt? Kein post bei Facebook, kein link bei LinkedIn, keine Empfehlung bei Xing, nicht einmal der eine oder andere tweet kündete von unseren genialen Ideen oder leidenschaftlichen Mühen.
„Wie machst du das mit den social-media?“ fragte Peter plötzlich. „Ich bin ja so ein unverlinkter Vogel, aber du bist ja tierisch aktiv.“ Die Frage kannte ich bereits von anderer Stelle: „Wie machen Sie das mit den social-media, Herr Eberl-Pacan?“ hatte mich knapp zwei Wochen vorher eine Studentin der Publizist gefragt, die an ihrer Masterarbeit zum Thema Architekten und social media schrieb. Was habe ich da geantwortet?
Erfolgsfaktor I: Begeisterung
Meine wichtigste Motivation, interessante Neuigkeiten, Entdeckungen oder Inspirationen weiterzugeben, ist Begeisterung. Fakten, Projekte, Ideen, die mich, anstecken, antreiben, begeistern, berühren, andere vielleicht auch verärgern, will ich gerne mit anderen teilen, die möglicherweise auch eine Meinung dazu haben.
Ich teile das Glücksgefühl, die Welt zu entdecken mit anderen, die sich auch bereits als Kind dazu auf den Weg gemacht haben. Ich teile Offenheit, Gestaltungslust und Entdeckerfreude. Jeder kleine Sturm der Begeisterung, den ich damit bei mir und bei anderen entfache, führt zum Doping im Gehirn. Es werden Stoffe produziert, die unsere Nervenzellen fördern und verknüpfen. Unser Gehirn entwickelt sich so, wie und wofür es mit Begeisterung benutzt wird.
Teilen verstärkt diesen Effekt durch Erfolgsfaktor Nr. II.
Erfolgsfaktor II: Feedback
Manchmal passieren Dinge, die wir nicht wollen. Wir schlagen einen Ball, er geht ins Aus. Den nächsten Ball werden wir dann genauer schlagen, unsere Kraft und seine Richtung so anpassen, dass er trifft.
Wer sich von Rückschlägen, Fehlern nicht irritieren lässt, wer nicht verbittert ist, das erhoffte Feedback nicht zu bekommen, für den kann es eine wertvolle Erfahrung sein, Hobbys, Vorlieben, Herausforderungen, Ärgernisse mit anderen zu teilen, die die Welt ähnlich sehen, aber doch aus anderen Perspektiven. Gespiegelte Begeisterung bereichert die eigene, erweitert den Horizont einer Erfahrung und schafft Motivation für neue.
Niemand wird an dieser Stelle behaupten wollen, dies alles hätte keine Relevanz für Architekten. Mit ihrem Entwurf machen sie das Imaginierte, das Unsichtbare sichtbar. Hier sind sie in hohem Maße auf Begeisterung – eigene Begeisterung und Begeisterung des Kunden – und Feedback angewiesen, ebenso wie auf Erfolgsfaktor III.
Erfolgsfaktor III: Wahrnehmung
Durch Teilen werden deine Meinung, deine Kompetenz, deine Interessen – in kleinen Schritten – aber zunehmend wahrgenommen. Gleich oder zumindest ähnlich Gesinnte werden darauf aufmerksam, sammeln sich virtuell um dich, schließen dich ein in den engeren Kreis ihrer Aufmerksamkeit.
Das hat positive Auswirkungen. Die Energie kommt zurück. Du bekommst Antworten auf deine Fragen. Du findest einen fruchtbaren Boden für deine Visionen, Unterstützung für deine Ziele, Empfehlungen für deine Kompetenzen. Meist über Umwege führen dann Kontakte zu Kontrakten.
Als Architekten und Ingenieure für Brandschutz haben wir eine Vision. Nachhaltige Architektur aus ökologischen im Dialog mit den beteiligten Menschen, mit Respekt vor den ausführenden Handwerkern und zukünftigen Nutzern. Dabei sind uns Partizipation und Mitgestaltung während Planung und Umsetzung, die passgenaue, individuelle Lösungen ermöglichen, ebenso wichtig wie ein hoher Standard an Wohlbefinden und Sicherheit (z. B. Brandschutz).
Aber das können wir nicht alleine schaffen. Wir sind ein kleines Rad in einem großen Getriebe. Größere und kleinere Räder müssen sich mit und in unserer Richtung drehen. Sie gilt es zu finden. Nur wenn unsere Vision als solche wahrgenommen werden, werden andere Räder auf uns aufmerksam, laden uns ein in ihr Getriebe oder formen mit uns sogar ein neues Getriebe: Quelle für Erfolgsfaktor IV.
Erfolgsfaktor IV: am Horizont geht’s weiter
Schauen wir uns Kinder an. Sie leben von Aufmerksamkeit. Dieser Drang fördert ihre Kreativität, schärft ihren Fokus, fokussiert ihre Energie. Bei Erwachsenen werden dabei mitunter längst vergessene Träume oder Energien wach, verschlossene Kammern der Erinnerung öffnen sich, heraus tritt der Mensch, der die Vielfalt seiner Existenz entfalten kann.
Manchmal stoßen wir an Grenzen, die wir ohne Hilfe von außen − Rückkopplung, Impuls, Richtungsänderung − nicht überwinden können. Das Ziel ist nah und scheint für uns doch so weit. Ein Tropfen genügte und das Fass unserer Leistungsfähigkeit würde überschwappen. Wir könnten alles erreichen, aber uns fehlt das Quäntchen Glück, das Stückchen Seil, das Tröpfchen Schweiß, das Fünkchen Idee. Sie können dann nur von außen kommen. Wir bestellen sie beim Universum und das letzte kleinste Teil macht uns vollkommen: für diese bestimmte Aufgabe.
Deshalb ist die sogenannte Schwarmintelligenz mehr als die Summe ihrer Teile. Der Input von außen gibt Erdung, verleiht gleichermaßen Flügel und führt uns zu Erfolgsfaktor V.
Erfolgsfaktor V: strategische Freunde
Der Begriff Freunde wird inflationär verwendet. Es sind im Grunde Menschen mit Meinungen, die wir teilen, mit Kritik, die uns herausfordert, mit Taten, die uns anstacheln. Immer wieder begegnen uns einzigartige Menschen, die ungewöhnlich und großartig sind. Sie stoßen Türen in uns auf, aktivieren Perspektiven, erwecken Ideen, schlagen Brücken, die uns so nicht bekannt waren. Ein Ruck geht durch uns, den wir nicht zu ahnen wagten.
Müssen wir dafür einen neuen Typ von Freunden erfinden?
Sicherlich nicht! Solche Menschen treten immer wieder in unser Leben. Nun aber hat sich der Radius erweitert, in dem wir sie finden, sie beobachten und Dinge mit ihnen teilen können. Wir können den Kreis unserer Wahrnehmung und unserer Aufmerksamkeit fast unendlich erweitern.
Schafft diese Quantität wirklich Qualität?
Seit ein paar Jahren treffe ich mich regelmäßig mit anderen Architekten zum Gespräch über unsere Strategien. Meine eigene wird dabei real überprüft und von Menschen beurteilt und kritisiert, die mir näher stehen als andere Kollegen. Diese persönlichen Begegnung ist durch nichts zu ersetzen. Sie erzeugt Übereinstimmung und Reibung, die wir fühlen und real erleben können.
Kann ich den Zauber dieser realen Erfahrung virtuell umsetzen?
Ich denke ja: innerhalb sehr individuell bestimmter Grenzen! Virtuelle Freunde können reale Freunde nicht ersetzen, aber die Möglichkeiten erweitern, Freundschaft und Austausch zu pflegen. Im Idealfall führen solch quantitativ erweiterten Möglichkeiten zu neuen Erkenntnissen oder Erfahrungen. Und wenn nicht, was verlieren wir dabei?
Der Umgang mit social-media sollte locker, spontan, fast automatisch erfolgen. Kein Zwang, keine Überwindung, kein Erwartungsdruck! Freundschaft ist keine Einbahnstraße, aber wer konkrete Gegenleistung erwartet, kann enttäuscht werden.
Deshalb: wer keinen Spaß an social-media hat, kann es besser bleiben lassen. Wen das Gefühl ereilt, dort nur Zeit zu verschwenden oder von wichtigeren Dingen abgelenkt zu werden, ebenfalls. Es gibt viele alternative Felder für Begeisterung.
Veröffentlicht am 1. März 2015.