Walden 48, Berlin – eine neue Dimension im Holzbau
Der Deutsche Nachhaltigkeitspreises Architektur 2021
Zwei außergewöhnliche Wohnungsbauten aus Holz und ein umgenutzter denkmalgeschützter Gebäudekomplex sind die Finalisten des Deutschen Nachhaltigkeitspreises Architektur. Sie stehen beispielhaft für die Leistungsfähigkeit des urbanen Holzbaus und den nachhaltigen Umgang mit vorhandener Bausubstanz. Die renommierte Auszeichnung wird in diesem Jahr zum achten Mal gemeinsam von der Stiftung Deutscher Nachhaltigkeitspreis e.V. und der Deutschen Gesellschaft für Nachhaltiges Bauen – DGNB e.V. vergeben.
„Alle drei Finalisten für den diesjährigen Deutschen Nachhaltigkeitspreis Architektur lösen ihre jeweilige Bauaufgabe auf außergewöhnliche, beispielhafte Weise“, sagt DGNB-Präsident Amandus Samsøe Sattler. „Sie zeigen in besonderer Weise, wie sich eine gute architektonische Qualität mit innovativen Lösungen und einem hohen Nachhaltigkeitsanspruch kombinieren lassen.“
Finalist Walden 48
Mit dabei ist auch der nach Plänen der Arbeitsgemeinschaft Scharabi Architekten und Anne Raupach gebaute sechsgeschossige Holzbau „Walden 48“ im Berliner Stadtteil Friedrichshain mit 40 Wohneinheiten. Sowohl tragende Wände als auch sämtliche Decken wurden in massiver Holzbauweise erstellt. Die Fassaden bilden hohlraumgedämmte Holzrahmenkonstruktionen, die auf der Gartenseite außen mit Holz und zur Straße hin putzverkleidet ausgebildet wurden. Die Wohnungstrennwände blieben einseitig holzsichtig, also unbekleidet. Die gegenüberliegende Seite musste aus Schallschutzgründen mit Gips bekleidet werden. Die Decken sind durchgehend holzsichtig.
In Sachen Brandschutz wurde bei „Walden 48“ dem Holz das zugetraut, was es seit jeher auszeichnet: sein kontrollierbarer Abbrand, der genau berechenbar ist und für die statische Tragwerksbemessung herangezogen werden darf. „Im Ergebnis wird für beispielsweise eine F90-Anforderung die erforderliche Mehrdicke auf die Konstruktionsdicke der Bauteile einfach aufgeschlagen. Kostenseitig ist der höhere Materialbedarf mit Blick auf das Gesamtbauvorhaben zu verkraften“, erläutert Farid Scharabi.
Damals bedurfte es noch einer Reihe von Anträgen auf Abweichung von der Bauordnung Berlin. Bei entsprechender Bemessung der Konstruktionshölzer war eine Bekleidung von Decken und Wänden aus brandschutztechnischer Sicht nicht mehr notwendig. „Leider erlauben das bislang die wenigsten Bauordnungen der Länder. In der Musterbauordnung und in einigen Bundesländern sind dahingehend Novellierungen geplant und teilweise beschlossen. Sie verpflichten in den meisten Fällen jedoch zur Anwendung der sog. Holzbaurichtlinie, die wiederum keinen nachhaltigen und wirtschaftlichen Holzbau zulässt“, beschreibt Reinhard Eberl-Pacan den Stand der Dinge.
Würdigung der Jury
Das Wohnhaus Walden 48 ist ein sehr gelungenes Beispiel innerstädtischer Nachverdichtung. Die Vorbildwirkung des Projekts liegt in der hohen Qualität architektonischer Gestaltung. Als Gebäude mit starkem Anteil an sichtbaren Holzoberflächen und -fassaden ist es beispielhaft für den urbanen Holzbau und stellt einen Meilenstein im Diskurs um den Wohnungsbau in Holzbauweise dar. Technisch setzt das Projekt in Sachen Brandschutz einen weiteren Meilenstein.
Nach der in den vergangenen Jahren im Holz-Geschossbau üblichen Kapselung, also Bekleidung des Holzbaus mit Brandschutzbekleidungen aus Gips, folgen nun sichtbare Holzkonstruktionen. So ist es möglich, die positiven Eigenschaften des Holzes erlebbar zu machen, das Bauen mit Holz zu vereinfachen und Kosten zu reduzieren. Die Baugemeinschaft des Projekts zeigt, wie sich bürgerliches Engagement vorbildlich in die Stadt einschreiben kann.
Veröffentlicht am 27. Oktober 2020.